35 Jahre Wappen der Marktgemeinde Spillern

von Univ.-Doz. Dr. Karl Sablik  

Ein Gerücht ging um in Spillern – irgendwann im Mittelalter – dass ein böser Wolf (wer dächte nicht an das arme Rotkäppchen?) sich im Auwald herumtreibt. Dies machte offenbar einen solchen Eindruck auf die Menschen, dass dieses Tier ins Wappen aufgenommen wurde, oder zumindest im alten Gemeindestempel zu sehen war – oder war es doch ein anderes Tier? Als ich 1975 zum Bürgermeister gewählt wurde, hatte ich als gelernter Historiker Zweifel an dieser Legende und begab mich mit der Anfrage nach unserem Wappen (falls es ein solches überhaupt offiziell geben sollte…?) an das NÖ Landesarchiv, damals noch in der Herrengasse in Wien. Die Antwort war etwas verblüffend, Spillern hätte kein Wappen, aber es gäbe die Möglichkeit, ein solches verliehen zu bekommen, wir müssten nur ansuchen. Das taten wir dann auch, und die Archivare begaben sich auf die Suche nach einem historischen Motiv. Dieses fand sich: die adelige Familie Gurland, die in Spillern Besitztum hatte, war 1728 ausgestorben, woraus sich laut Archiv-Aussagen die historische Berechtigung ergab, deren Wappen sozusagen neu verliehen zu bekommen. Nun staune man: das Wappentier der Gurlands, ein Leopard, sah unserem alten „Wolf“ verdammt ähnlich. 

 

Gurland Wappen 1614.jpgDas Geschlecht der Gurlands stammte von einem Hofdiener Kaiser Maximilian des II. (1527 – 1576) ab und bekam 1614 von dessen Sohn, Kaiser Matthias (1557 – 1619), ein adeliges Wappen[1] verliehen; der Weg führte nun direkt zu unserem Wappen. Unsere Gemeinde hat eingedenk dieser historischen Fakten eine „Gurlandstraße“ benannt, wie vorher schon in Erinnerung an den ersten urkundlich erwähnten Spillerner die „Dietmarusgasse“. In gewissem Sinn ist die Familie Colloredo-Mannsfeld dann Nachfolger der Gurlands geworden, bis vor kurzer Zeit im alten Jägerhaus in der Stockerauer Straße dokumentiert (jetzt ein großvolumiger Wohnbau und der „Seepark Spillern“) und dem Auwald, der jetzt noch im Besitz der Familie Colloredo-Mannsfeld ist.

 

   

 

WappenSpillernHomepage.gifDie Aufgabe der Gemeinde war es nun, dieses Wappen graphisch modern zu gestalten. Dabei hat uns die Wiener Graphikerin Gertrude Svoboda unterstützt, die bildnerische Gestaltung übernahm dann die junge Künstlerin Alice Randacher-Montsch aus Spillern; die Entwürfe liegen im Archiv der Gemeinde. Die Vorgaben waren klar, der Hintergrund des Wappens war blau[2], der Leopard goldfarben[3] und der Streitkolben, den er in den Tatzen hält, silbern[4]. Die Niederösterreichische Landesregierung hat in ihrer Sitzung vom 19. Februar 1980 das Wappen verliehen, am 30. April 1980 fand die Übergabe an die Gemeinde im „Alten Landhaus“ in Wien durch den damaligen Landeshauptmann Andreas Maurer und seinen Stellvertreter Leopold Grünzweig statt.

 

Wappenübergabe 1980.jpg

Von links nach rechts mit der damaligen Funktion:
GR Dipl. Ing. Hanns Sturzlbaum; Landeshauptmann Andreas Maurer; geschäftsführender GR Karl Wagner; Gemeindesekretär Herbert Zehetmayer; Landeshauptmann-Stellvertreter Leopold Grünzweig; Landesrat für Finanzen Mag. Siegfried Ludwig; Bürgermeister Dr. Karl Sablik; Landesrat Dr. Ernest Brezovsky

 

  

 

 

 

Jedes Wappen ist ein Symbol für den Träger, man interpretiert aber auch gerne den „Inhalt“ und die Bedeutung eines Wappens. Machen wir den Versuch für Spillern! Die offizielle Beschreibung unseres Wappens lautet: „In Blau ein goldener aufgerichteter Leopard, einen Streitkolben vor sich haltend“. Da in der Wappenkunde Gold und Gelb identisch sind ebenso wie Silber und Weiß, sind also die Farben für die Spillern-Fahne Blau-Weiß-Gelb[5]. Ein Wappentier soll immer Stärke und Schnelligkeit ausdrücken – oder das Verlangen danach, man denke an die vielen Löwen in verschiedenen Wappen, an Panther – oder eben an unseren Leoparden. Es können auch Vögel sein, besonders  Adler, wie wir das vom österreichischen Bundeswappen kennen, oder historisch gesehen der etwas eigenartige „Doppeladler“ der österreichisch-ungarischen Monarchie. Die Republikanische Partei in den USA hat seinerzeit einen Elefanten gewählt, weil dieser trompetend und stampfend sich den Feinden gegenüber stellt. Unser Leopard ist goldfarben, kräftig und eigenständig dargestellt – wie unsere Gemeinde eben ist. Der Streitkolben – ein altes Waffengerät zum Zuschlagen im Nahkampf – zeugt von unserer Wehrhaftigkeit in der Durchsetzung unserer  Wünsche im Sinne unserer  Bevölkerung. Die Farbe Blau bedeutet Himmel, unsere Welt, gleichsam das „Weltall“ und ist auch die Farbe der Europäischen Union. Wir sind also mit dieser Farbe der EU verbunden, mit der Kombination Blau-Gelb unserem Bundesland Niederösterreich. Blicken wir in die Zukunft: möge das symbolträchtige Wappen unseres Ortes, also das Symbol unserer Gemeinschaft, unser  friedliches und glückliches Zusammenleben in den nächsten Jahrhunderten begleiten …


 

[1] J. Siebmachers grosses und allgemeines Wappenbuch, 4. Band, 4. Abteilung (Niederoesterreichischer Adel); Nürnberg 1909, Seite 145 sowie Tafel 71 (Gurland I).

[2] Blau wird heraldisch mit waagrechten Linien dargestellt.

[3] Gold wird heraldisch mit einer gepunkteten Fläche dargestellt.

[4] Silber wird heraldisch mit einer weißen Fläche dargestellt.

[5] Mit der Wappenverleihung waren auch die Farben der neuen Fahne für Spillern festgelegt.